"Schreib doch mal einen Bestimmungsschlüssel für die handelsüblichen Störwelse."
So oder so ähnlich stand es in der Mail von Klaus....

Mein erster Gedanke war: Welche Arten zählen eigentlich zu den "handelsüblichen" beziehungsweise sollten in dieser Arbeit erwähnt werden? Nur die, die es wirklich zu kaufen gibt oder auch die, als die sie verkauft werden?

Es gibt viele Artnamen, die missbraucht werden, um wenige Arten zu verkaufen: Sturisoma aureum, Sturisoma panamense, Sturisomatichthys leightoni, Sturisoma barbatum Sturisoma sp. "Kolumbien", Sturisoma nigrirostrum, Sturisomatichthys sp. "Kolumbien I" und Sturisomatichthys sp. "Kolumbien II", Sturisomatichthys foerschi und, äußerst selten, gibt es auch einmal Störwelse als Sturisoma festivum zu kaufen.
Die Arten, die sich hinter all diesen Namen verbergen sind: Sturisoma festivum, Sturisoma aureum, Sturisoma robustum, Sturisomatichthys sp. "Kolumbien" und Loricariinae sp. LG 6. Ob Sturisoma nigrirostrum im Handel anzutreffen ist, kann ich nicht sagen. Die sandbewohnenden Arten sind ohne Fundortangabe fast nicht genau zu bestimmen.

Die auf totem Holz lebenden Arten

Bevor ich jetzt auf einzelne Arten eingehe, noch etwas Allgemeines. Ingo Seidel hat in einer Arbeit in der DATZ die Störwelse der Gattung Sturisoma in zwei Gruppen unterteilt.
Zum einen gibt es da die so genannte Sturisoma-panamense-Gruppe, die die Arten St. panamense, St. festivum, St. aureum und St. frenatum enthält. Außerdem genannt wird der Name St. dariense, welcher vermutlich ein Synonym zu St. panamense ist.
Diese Arten haben einen grazilen, lang gestreckten Körperbau mit einer relativ kleinen Schwanzflosse. Ihr Rostrum ist kurz, dessen seitliche Begrenzung ist mehr oder weniger gerade. Diese vier Arten sind strömungsliebend und halten sich hauptsächlich auf totem Holz auf. Es handelt sich bei allen Arten um so genannte transandine Arten, das heißt, sie kommen nur westlich der Anden vor. Weil sie sich deutlich von den anderen Arten unterscheiden, kann man davon ausgehen, daß sie in einer längst überfälligen Gattungsrevision in eine neue Gattung überführt werden. Zurzeit kann man sie als Sturisoma sensu latu (= im weiteren Sinne bezeichnen)

Die sich wie totes Holz verhaltenden Arten

Die zweite Gruppe ist die cisandin (östlich der Anden) vorkommende Sturisoma-rostratum-Gruppe. Dazu zählen die Arten St. barbatum, St. brevirostre, St. guentheri, St. kneri, St. lyra, St. monopelte, St. nigrirostrum, St. robustum, St. rostratum, St. tenuirostre sowie einige unbeschriebene Arten, zum Beispiel St. sp. "Araguaia".
Diese Arten zeichnen sich durch einen viel massigeren Körper und eine größere Schwanzflosse aus. Ihre Flossen sind im Vergleich zum Körper kleiner. Das Rostrum ist länger, die seitliche Begrenzung ist leicht konkav. Im Gegensatz zur St.-panamense-Gruppe leben diese Arten bevorzugt in strömungsberuhigten Bereichen auf Sand.

Wie oben schon erwähnt sind sich die Arten zum großen Teil sehr ähnlich. Eine sichere Artbestimmung ist nicht möglich. Wildfangtiere, die als St. babartum verkauft werden, kommen laut I. Seidel vom Rio Paraguay, dem Typusfundort von St. robustum. Deshalb sollte man die Art besser als St. robustum ansprechen. Als St. nigrirostrum werden auch ab und zu Tiere verkauft. Weil nur ungefähr ein Drittel der Tiere die namensgebende schwarze Rostrumunterseite zeigt und sie im Händlerbecken meist irgendwo versteckt in hinteren Beckenbereichen herum liegen, läßt sich schlecht sagen, ob es sich wirklich um diese peruanische Art handelt. Auf seriösen Listen habe ich sie bisher nur selten gesehen, laut Wels Atlas wird die Art ab und an importiert. Neuerdings wird eine weitere Art angeboten: St. sp. "Araguaia" aus dem brasilianischen Rio Araguaia und Tocantins. Im Alter soll die Art laut Wels Atlas gelblich (keine Begeisterungsschreie bitte! "Sandfarben" trifft es wohl besser) werden. Als zwölf Zentimeter lange Tiere sehen sie mit ihren weißen Spitzen an den seitlichen Knochenplatten interessant aus. Diese Gruppe kann man als Sturisoma sensu strictu (= im engeren Sinne) bezeichnen. Ihr gehört auch die Typusart der Gattung, Sturisoma rostratum an, weshalb man davon ausgehen kann, daß diese Arten in der Gattung bleiben werden.
Dem normalsterblichen Aquarianer kann ich von der St.-rostratum-Gruppe nur abraten. Nicht weil sie mit ihren kurzen Flossen weniger attraktiv sind als die holzbewohnenden Arten. Nein: Diese Tiere sind einfach langweilig! Ihre Hauptbeschäftigung besteht darin, den ganzen Tag an einer Stelle zu verbringen und den Aquarianer verzweifelnd rätseln zu lassen: Lebt das Tier noch oder nicht?

Genug der Vorrede. Da wir jetzt schon für einen Teil der Arten festgestellt haben, daß sie äußerst schlecht zu unterscheiden sind, widmen wir uns jetzt, den Arten, die leichter zu unterscheiden sind: Die St.-panamense-Gruppe. In dieser Gruppe sind zwei Arten von elementarer Bedeutung. Da der Name der dritten Art der am häufigsten genutzte Name ist, werde ich auch sie, soweit möglich, mit vorstellen. Diese Art ist Sturisoma panamense. Sie wurde bis heute noch nicht kommerziell importiert. Die wenigen Tiere, die von privat reisenden Aquarianern mitgebracht wurden, werden leider nicht ausreichen, um die Art weiter zu verbreiten.
Es gibt drei wichtige Unterscheidungskriterien.

Zum ersten wären die Filamente. Alle Arten haben solche fadenartigen Teile am oberen und unteren Strahl der Schwanzflosse. Diese können hier locker Körperlänge erreichen. Dagegen hat nur eine Art, Sturisoma festivum, solche Filamente an allen anderen Flossen. Diese können bei 20 Zentimeter langen Fischen gut und gerne vier Zentimeter lang werden. Das an der Rückenflosse ist meist nur kurz. Problem ist, daß sich während der vielen Generationen, die die Art schon im Aquarium gezüchtet wird, auch Populationen gebildet haben, die nur sehr kurze Filamente haben, was die Unterscheidung von St. aureum etwas erschweren könnte.

Durch das zweite Unterscheidungskriterium wird dieses Problem jedoch nahezu ausgeschlossen. Dieses Merkmal ist die Rückenflosse. Beim "Segelflossenstörwels", Sturisoma festivum, ist diese hoch und an der Spitze gebogen. Außerdem ist sie relativ breit. Der "Goldbartwels", Sturisoma aureum (ich frage mich ehrlich gesagt bis heute, wie Steindachner auf einen solchen Namen kommt, so golden ist der Bart gar nicht), hat eine kürzere und vor allem gerade Rückenflosse. Sturisoma panamense hat eine sehr hohe, gerade und schmale Dorsale - so zumindest ist dies auf dem Foto im Wels Atlas zu erkennen.

Drittens kann die Bauchzeichnung als Unterscheidungsmerkmal dienen. Dies ist jedoch nur bei großen Tieren möglich, weil Jungfische meist alle einen weißen Bauch zeigen. Große Sturisoma festivum zeigen dagegen eine deutliche Fleckenzeichnung. Hier sollte jetzt eigentlich stehen, daß Sturisoma aureum einen weißen Bauch hat und die Knochenplatten dunkel umrandet sind - so wie dies auf den Fotos im Wels Atlas schön zu erkennen ist. Dann machten wir uns an die Arbeit und schossen Fotos von unseren Sturisoma aureum. Weil sich die Tiere eigentlich nie an der Frontscheibe aufhalten, hatten wir die Ventralseite vorher noch nicht gesehen und auch nicht besonders beachtet. Beim Herausfangen und Umsetzen ins Fotobecken sah ich das Schlamassel:
Das vierzehn Zentimeter lange Männchen hatte gar keinen hellen Bauch! Kopfschüttelnd nahm ich zur Kenntnis, daß Sturisoma aureum ein wunderschönes Wurmlinienmuster auf dem Bauch haben kann. Was lernen wir daraus? Schreib' niemals gutgläubig irgendwo ab! In diesem Fall keine große Katastrophe, Ähnliches hat aber dazu geführt, daß heute alle "Segelflossenstörwelse" grundsätzlich als Sturisoma panamense verkauft werden. Ein kleines Problem ergibt sich allerdings: Auch Sturisoma festivum können ein ähnliches Muster zeigen, weshalb dieses Merkmal nicht isoliert zu betrachten ist. Zur Bauchzeichnung von St. panamense kann ich leider keine Aussagen machen.
Wer es etwas aufwändiger möchte, kann auch die seitlichen Knochenplatten zählen. Laut der Erstbeschreibung hat Sturisoma festivum 31 solcher Platten vom Kopfhinterrand bis zum Beginn der Schwanzflosse. Bei Sturisoma aureum sind es derer 32. In wiefern diese Knochenplatten einer Variabilität von einer Platte mehr oder weniger unterliegen, kann ich nicht sagen. Bei den von mir überprüften Individuen passten die Werte exakt. Sturisoma panamense konnte ich verständlicherweise bisher noch nicht auszählen, laut Beschreibung hat die Art 32 bis 33 Seitenplatten.

Die Zeichnung nenne ich bewußt nicht als Unterscheidungsmerkmal. Sturisoma festivum ist sehr variabel. Je nach Bodengrund, Alter und "Gemütszustand" können die Tiere blaß grau-braun sein oder auch kontrastreich rehbraun. Zumindest bei gesunden Tieren - unter unpassenden Bedingungen gepflegte Tiere können komplett eindunkeln - konstant ist ein dunkles Band, welches beiderseits von der Schnauzenspitze durch das Auge bis hinter die Rückenflosse zieht, wobei es immer breiter wird, und Kontakt zur Rückenflosse hat. Dadurch entsteht vor der Rückenflosse eine helle "Blesse", die wenige, teilweise unterbrochene dunkle Linien zeigen kann. Bei Sturisoma aureum ist dieses Band auch vorhanden, Linien sind zumindest bei meinen Tieren nicht zu erkennen, nur einige Punkte. Sturisoma panamense zeigt dieses Band ebenfalls. Hier besteht allerdings kein Kontakt zur Rückenflosse - ein gemeinsames Merkmal mit den Arten der St.-rostratum-Gruppe. Die Blesse zeigt bei St. panamense deutliche dunkle Linien, die untereinander vernetzt sein können. Im Gegensatz zu den sandbewohnenden Arten sind zumindest St. festivum und St. aureum auch tagsüber aktiv und normalerweise nicht besonders scheu. Sie "laufen" majestätisch auf dem Boden entlang und suchen nach Nahrung. Außerdem fressen sie binnen kürzester Zeit sämtliche Grünalgen - kurzum sehr empfehlenswerte Pfleglinge für das größere Aquarium. Denn 20 Zentimeter werden beide Arten mindestens lang.

Sturisoma festivum Sturisoma aureum Sturisoma panamense
Filamente alle Flossen nur Schwanzflosse nur Schwanzflosse
Rückenflosse hoch, gebogene Spitze, segelartig niedriger und gerade hoch, gerade und schmal
Bauchzeichnung Punkte bzw. Flecken hell, umrandete Platten keine Angaben
im Handel sehr häufig, NZ, WF aus Kolumbien oder Venezuela WF aus dem Rio Magdalena, Kolumbien, NZ selten nein

Alle Fotos von Mike Hemmann

Sturisoma aureum




Sturisoma festivum



Sturisoma robustum



Sturisoma sp. "Araguaia"



Dann wären da noch die so genannten Zwergstörwelse der Gattung Sturisomatichthys. Die im Handel erhältlichen Tiere sind im Verhalten den Störwelsen der St.-panamense-Gruppe ähnlich. Nur etwas scheuer sind sie vielleicht. Wildfänge können durchaus 20 Zentimeter lang sein, Nachzuchten hören meist mit zehn zwölf Zentimeter auf zu wachsen. Dadurch eignen sie sich auch schon für kleinere Becken ab 50 Liter Volumen.
Die Gattung Sturisomatichthys enthält vier beschriebene Arten: St. leightoni, St. caquetae, St. tamanae aus Kolumbien und St. citurensis aus Panama.
Keine dieser Arten wurde in den letzten Jahren kommerziell eingeführt. Die wunderschön marmorierten Sturisomatichthys, die es zu kaufen gibt, gehören einer unbeschriebenen Art an: St. sp. "Kolumbien". Bis vor wenigen Jahren ging man noch davon aus, daß es sich dabei um zwei verschiedene Arten handelt: St. sp. "Kolumbien I" und "Kolumbien II". St. sp. "Kolumbien II" sollte Odontoden an den Knochenplatten am Schwanzstiel haben. Inzwischen sind sich die Experten aber einig, daß es sich dabei nur um eine Art handelt, die ich hier als Sturisomatichthys sp. "Kolumbien" bezeichne - nicht zu verwechseln mit Sturisoma sp. "Kolumbien" was der anfängliche Handelsname für Sturisoma aureum war.
Von Vertretern der Gattung Sturisoma unterschieden sich die Sturisomatichthys durch ein viel kürzeres Rostrum und ihre geringere Größe. Theoretisch sollten die Zwergstörwelse elf oder zwölf verzweigte Weichstrahlen in der Schwanzflosse besitzen, Sturisoma besitzen immer zwölf. Praktisch spielt dieses Unterscheidungskriterium jedoch eine geringere Rolle. Innerhalb der Gattung gibt es zurzeit nichts zu unterscheiden, weil nur eine Art im Handel ist - auch wenn aufgrund der hohen Variabilität mancher meinen könnte, es handele sich um mehrere Arten.
Ich erwähnte in der Einleitung Sturisomatichthys "foerschi". Dieser Name ist ein Nomen nudum, er wurde nie vergeben. Die sich dahinter verbergende Art ist LG 6. Außer unter diesem Namen wird sie auch unter den Namen Sturisoma foerschi, Sturisomatichthys sp. "Foersch" oder auch als "castroi II" angeboten. Wildfänge werden als "Hexenwels, WF Paraguay" verkauft - aus Paraguay kommt die Art ursprünglich. Meiner Meinung nach die beste Bezeichnung, weil damit wenigstens keine Gattungszuordnung getroffen wird, die preistreibend wirken könnte, sind doch Sturisomatichthys viel teurer. Die Art ist sehr leicht nachzuzüchten, viele der angebotenen Nachzuchten kommen aus Osteuropa.

Ehrlich gesagt kann ich nicht verstehen, wie überhaupt jemand auf die Idee kommen kann, die Art der Gattung Sturisomatichthys zuzuordnen. Außer, daß es sich auch bei dieser Art um einen Offenlaicher (allerdings mit kleinen grünen statt transparenten Eiern!) handelt, hat sie nicht viel mit den Zwergstörwelsen gemein. Die Art wird acht bis zehn Zentimeter lang. Ihr Körper ist zumindest bei meinen Tieren mehr oder weniger rund. Odontoden bilden nicht alle Männchen aus, was die Geschlechterunterscheidung ungemein erschweren kann. Ein Rostrum besitzt die Art so gut wie nicht. Die Brustflossen sind viel schmaler als bei Sturisomatichthys. Interessant ist, daß zumindest bei einigen Wildfangtieren Filamente an der Afterflosse oder der Rückenflosse ausgebildet werden. Bei Nachzuchten konnte ich diese Filamente noch nicht beobachten.

Martin Grimm

Literatur:

Evers, H.-G. & I. Seidel: Wels Atlas, Mergus Verlag

Seidel, I.: Störwelse, DATZ 6/2002; S. 12-15